50 Jahre Ford Taunus 12 M P4 – Technologieträger aus den 60er Jahren mit ungewöhnlichem Motorkonzept

Hintergrundinformationen zum Taunus 12m

30. April 2012 · Ford

„M“ wie Meisterstück: Mit dem neuen Taunus setzt Ford erstmals auf Frontantrieb. Besonders kompakter V4-Motor basiert auf US-amerikanischer Entwicklung.

„Ein neuer Ford mit Frontantrieb? Diese Frage ist in letzter Zeit wiederholt gestellt worden. Meist wurde sie durch die Bemerkung ergänzt: Das wäre eine echte Sensation. Wir können es jetzt bestätigen: Der neue Ford Taunus hat Vorderradantrieb und einen neu konstruierten V-4-Zylinder-Motor dazu. Erstmals verlassen wir damit in Köln die Standardbauweise – vorn liegender Motor- und Getriebeblock sowie über die Kardanwelle angetriebene Hinterachse – und bringen ein Fahrzeug auf den Markt, das völlig neue Konstruktionsmerkmale aufweist und in der Konzeption mit den Vorgängern der Taunus-Reihe nicht verglichen werden kann.“

Mit diesen Worten führte Jules A. Gutzeit, seinerzeit Technischer Direktor der Ford Werke AG, am 15. September 1962 ein neues Modell in die automobile Gesellschaft ein: den Ford Taunus 12 M P4. Die Namensgebung des Novizen folgte klaren Prinzipien: Die „12“ bezog sich auf seinen Hubraum von 1,2 Litern, das „M“ bedeutete nichts geringeres als „Meisterstück“ und „P4“ stand für das vierte Nachkriegsmodell. Nachfolgend die wichtigsten Stationen aus dem Produktleben des Ford 12 M P4.

 „Unserer Meinung nach ist es gelungen, einen kleinen Wagen nach dem letzten Stand der Technik optimal zu bauen“, schloss Gutzeit seine Präsentation. „Die Aufgabe, die wir uns gestellt haben, wurde dadurch gelöst, dass wir uns für den Frontmotor mit Vorderradantrieb entschieden. Wir sind der Ansicht, dass diese Konzeption die beste ist, weil sie vorteilhafte Innenraumverhältnisse, einen sehr großen Gepäckraum und ausgezeichnete Fahreigenschaften bietet, auch wenn sie in der Produktion etwas teurer ist.“

 Frontantrieb: Innovation mit Zukunft

Nicht zum ersten Mal hatte Ford künftige Entwicklungen früh erkannt und vorwegge­nom­men. Innovationen dieses Kalibers zeichneten zum Beispiel auch den größeren Bruder aus, den 17 M. Er überzeugte bereits 1957 durch Federbeine mit integrierten Stoßdämpfern an der Vorderachse, eine besonders aerodynamische Karosserie und eine verbesserte Beleuchtung mit ovalen Scheinwerfern.

Außer der Wirtschaftlichkeit gehörte beim neuen Taunus 12 M die Transportkapazität zu den wichtigsten Entwicklungskriterien. Dem Käufer sei „ein großzügiger Fahrgast- und Gepäck­raum mitunter noch wichtiger als die Fahreigenschaften“, hatten damals die Marktforscher herausgefunden. Hervorragende Fahreigenschaften würden beim Stand der Technik „als selbstverständlich vorausgesetzt“.

Der Entwurf vereinige Bewährtes und Neues im Automobilbau, so Ford: „Es entstand ein Personenwagen, der keinen technischen Vorgänger hat. Der Prototyp, als ,Cardinal‘ bekannt geworden, musste in den vergangenen Jahren unter härtesten Bedingungen seine Bewäh­rungsprobe bestehen. Die Testfahrer fuhren, obwohl sie die besten Autofahrer sind, wie die schlechtesten und erfanden immer größere ,Schikanen‘ und entwickelten immer neue ,Ideen‘, um die Grenzen und schwachen Seiten des Wagens festzustellen.“

Im Gründungsjahr der Rolling Stones bildeten vernunftgesteuertes Denken und Handeln den ruhenden bürgerlichen Gegenpol zum aufkeimenden Jahrzehnt von Flower Power, Pazifismus und sexueller Revolution. „Vor allem wirtschaftlich“, lautete die Maxime der Entwickler: „Als die Techniker vor Jahren die Aufgabe bekamen, ein völlig neues Auto zu bauen, wussten sie, dass es wirtschaftlich sein müsse“, beleuchtete der Pressetext von Ford die Hintergründe der P4-Entstehung. „Alle Überlegungen und Untersuchungen endeten mit der Feststellung: Ein Wagen, der in seiner Klasse groß, bequem und wirtschaftlich sein soll, muss einen Frontantrieb und einen Motor mit günstigen Einbauverhältnissen haben. Antrieb über die Vorderräder und 4-Zylinder-Motor hieß schließlich die Formel, denn, so sagten die Ingenieure, nur so kann in dieser Klasse ein Optimum an Wirtschaftlichkeit, Langlebigkeit und Raum erzeugt werden.“

Versuche bei der Ford Motor Company in den USA mit frontgetriebenen Prototypen hatten zu der Erkenntnis geführt, dass deren Fahreigenschaften „sehr wesentliche Vorteile“ aufwiesen: „Auf schlechten, nassen und winterlichen Straßen ist der Frontantrieb der anderen Antriebsart eindeutig überlegen. Auch bei schnellen Kurvenfahrten zeigt er sich von der positiven Seite. Nach allgemeinen Erfahrungsgrundsätzen ist ,ziehen‘ besser als ,schieben‘.“

In seinem leidenschaftlichen Plädoyer räumte Technikdirektor Gutzeit auch gleich mit einem populären Vorurteil auf: „Oft hört man die Behauptung, dass bei Steigungen die Vorderachslast zu klein wird. Alle anderen Vorteile würden damit in Frage gestellt. Beim neuen Taunus 12 M stehen die Achslasten in einem so günstigen Verhältnis zueinander, dass derartige Probleme nicht auftreten können. 61 Prozent des Gesamtgewichts ruhen auf der Vorderachse und nur 39 Prozent auf der Hinterachse. Diese Verteilung wurde erreicht, weil der kompakte V-4-Motor vor der Vorderachse angeordnet werden konnte. Und damit sind wir bei der Frage: warum V-4-Motor? Der neue Frontantrieb bei Ford ist ohne dieses Aggregat, das mit dem Getriebe, der Kupplung und dem Differenzial eine Einheit bildet, nicht denkbar. Es nimmt nur etwas mehr als halb soviel Platz in Anspruch, wie der bisher im 12 M eingebaute seitengesteuerte Reihenmotor, dessen Grundkonzeption auf das Jahr 1935 zurückgeht.“

Die Karosserie: dauerhaft und dröhnfrei

Dass sich der Ford Taunus 12 M P4 von Beginn an als zäher Burschen etablierte, stand außer Frage: „Die selbsttragende Karosserie ist für harte Beanspruchung gebaut. Sie ist dauerhaft und dröhnfrei. Der untere Teil der Karosserie erhielt einen Zinkstaubüberzug. Er verhindert vorzeitiges Rosten der von Schmutz, Nässe und Salz besonders betroffenen Karosserieteile.“

Das Design des neuen Kompaktmodells – im vergleichsweise anglizismusfreien Sprachgebrauch von damals war meist von der „Linie” die Rede – sollte hohen ästhetischen wie praktischen Ansprüchen gleichermaßen gerecht werden. Was nach Meinung der Entwickler auch gelungen war: „Die Linie des neuen Taunus 12 M ist elegant, ruhig und modern. Sie ent­spricht dem Geschmack unserer Zeit und unterstreicht die schnittige, lange und niedrige Form des Wagens. Kein Chrom und keine Karosserieschnörkel beeinträchtigen die klare Formgebung. Die Karosserie verdient die Prädikate ,individuell‘ und ,praktisch‘. Der Grill ist zwischen den beiden Scheinwerfern, die in den Kotflügel eingebaut sind, angeordnet. Er betont die sportliche Note des Wagens. Ovale Heckleuchten, ein überstehender Kofferraumdeckel und eine große, über die ganze Breite laufende Heckscheibe sind charakteristisch für die rückwärtige Partie des neuen 12 M.“

Ein weiteres stilprägendes Merkmal der Baureihe P4 bildete die markante „Bügelfalte“, die sich über die gesamte Seitenlinie des Fahrzeugs zog, zum Heck hin verbreiterte und schließlich in tropfenförmigen Rückleuchten mündete. Dass diese keine Blinkereinsätze in Orange aufwiesen, sondern in Rot aufschimmerten, ging noch auf die US-amerikanischen Wurzeln des 12 M zurück.

Der großzügig geschnittene Innenraum bot fünf Personen Platz. Die breiten Türen erlaubten nicht nur bequemes Ein- und Aussteigen, sie fielen auch „mitternachtsleise“ ins Schloss. Die Sitze waren mit einer auf die Außenfarbe abgestimmten Stoff-/Kunststoff-Kombination überzogen, das „schüsselförmige“ Dreispeichen-Sicherheitslenkrad lag bequem in der Hand. Der Instrumentenbereich mit einem quer verlaufenden, bis 140 km/h reichenden Tachometer­band sowie Blinker-, Öldruck-, Ladestrom- und Fernlichtanzeige lagen breit im Blickfeld des Fahrers. Durch zwei Sperrklappen vor den Vordersitzen konnte Frischluft zugeführt werden und die Sonnenblenden waren gepolstert – Luxus pur!

Mit acht Varianten konnte sich auch die Farbvielfalt sehen lassen, sogar eine Zwei-Ton-Lackierung gehörte zum Lieferprogramm. Hinzu kam ein üppiges Sonder-Ausstattungs­programm. Bestellbar waren Stoßstangenhörner mit Gummipuffern, ein abwaschbarer Kunststoffhimmel, Rückfahrscheinwerfer, ein Zigarrenanzünder (richtig: nicht Zigaretten – Zigarren!), Armlehnen und Aschenbecher im Fond sowie elegante Weißwandreifen.

In puncto Vielseitigkeit konnte sich der Taunus 12 M durchaus mit heutigen Verwandlungskünstlern auf Multifunktions-Plattformbasis messen: Außer dem Zweitürer stand die klas­sische Limousine auch in einer viertürigen Version zr Verfügung, darüber hinaus boten die Kölner eine dreitürige Kombivariante an und zauberte sogar ein bildschönes Coupé aus dem P4. Hierfür nahmen sie die Limousine mit zwei Türen als Basis, verkürzten das Dach und schufen dadurch völlig neue Proportionen mit einer eleganten, flach abfallenden Heck­scheibe.

Der neue V4-Motor: „Die beste Gewähr für eine lange Lebensdauer ist also gegeben“

Weil der V4-Motor mit Getriebe, Differenzial, Antriebswelle und Kupplung eine Baueinheit bildete, ergab sich für die Passagiere ein ungewöhnlich großer Innenraum. Weder Getriebe- noch Kardantunnel schränkten im ebenen Wagenboden den Fußraum ein. Der Kofferraum („den zwei Ausgleichsfedern spielend heben“) bot mit 560 Liter Volumen ausreichend Platz für großes Gepäck. Bei der Entwicklung des Triebwerks hatten laut Ford über 30 Millionen amerikanische V8-Motoren „Pate gestanden“. Warum, erklärt sich wiederum aus der Entstehungsgeschichte des P4. Der war ursprünglich von Ford USA für den dortigen Markt entworfen worden, um dem damaligen VW „Beetle“ Paroli zu bieten. Doch die Amis verzichteten auf eine Produktion dieses Motors und leiteten die Konstruktionspläne über den Atlantik an die europäischen Kollegen weiter – gemäß dem Motto: Macht Ihr was draus.

Gebaut wurde die nach US-Maßstäben halbe Motor-Portion in Köln in einem der moderns­ten Motorenwerke seiner Zeit: „Amerikanische Produktionserfahrungen und deutsche Wertarbeit machen den Motor zu einem Erzeugnis höchster Präzision. 40 PS bei 4.500 U/min leistet dieser überquadratische 1,2-Liter-Kurzhubmotor. Bei einer Bohrung von 80 mm und einem Hub von 58,86 mm beträgt die mittlere Kolbengeschwindigkeit nur 8,83 m/s. Die beste Gewähr für eine lange Lebensdauer ist also gegeben.“

Schon damals erhob Ford also eine Motorcharakteristik zum Ideal, die auch heutige Technikpäpste propagieren: „Es kam bei der Neukonstruktion weniger auf die Züchtung von PS als auf ein hohes Drehmoment an, das bei 2.400 U/min 8 mkg (= 78 Nm) erreicht. Schließlich soll die Drehmomentkurve sehr flach verlaufen, um einen elastischen Motor anzubieten. Der wirtschaftliche Aspekt, der ein wesentliches Konstruktionsmerkmal des neuen 12 M ist, wurde auch bei diesem Motor berücksichtigt. Besonders im Teillastbereich nützt er den Normalkraftstoff bei einer Verdichtung von 7,8:1 gut aus und verbraucht nur 7,5 Liter (nach DIN 70030) auf 100 Kilometer.“

Beim Vorgängermodell hingen die Ventile noch nicht kopfüber in der Brennraumkuppel, sondern standen wie frische Pfifferlinge aufrecht im Zylinderblock. In die Zylinderköpfe verlegt, wurden sie nun über eine im Kurbelgehäuse liegende Nockenwelle via Stößel, Stößelstangen und Kipphebel gesteuert. Der Zylinderblock war mit dem Kurbelgehäuse vergossen, das entsprechende Gussverfahren ermöglichte besonders dünne Wandungen und dadurch eine gute Motorkühlung über zwei separate Wasserkreisläufe. Für Laufruhe war ebenfalls gesorgt: Eine Ausgleichswelle konterte die Massenkräfte erster Ordnung elegant aus. Neben dem 40-PS-Basistriebwerk mit 1,2 Liter Hubraum gab es den V4 in zwei 1,5-Liter-Versionen mit 50 (12 M) beziehungsweise 55 PS (12 M TS), wobei Letztere zum Modelljahr 1964 durch eine stärkere 65-PS-Ausführung ersetzt wurde.

Handling und Fahrwerk: flott ums Heck

Cheftechniker Gutzeit hat es eingangs angerissen: Die günstige Motoranordnung mit 61 Prozent Vorderachslast verlieh dem 12 M im Hinblick auf Straßenlage, Richtungsstabilität, Spursicherheit und Seitenwindempfindlichkeit ein vorbildliches Verhalten. Die vordere Einzelradaufhängung bestand aus einer Querblattfeder als oberem Schwingarm und einem am Getriebegehäuse befestigten Dreiecksquerlenker. Zusammen mit den hydraulischen, doppelt wirkenden Teleskopstoßdämpfern waren so eine wirkungsvolle Schwingungsdämpfung und – insbesondere nach einer etwas später nachgeschobenen Modellpflege – auch eine präzise Radführung gewährleistet. Die Hinterräder wurden an einer Starrachse mit angeflanschten Achsschenkeln geführt, für die fachgerechte Verarbeitung unerwünschter Aufbauschwingungen sorgten hier eine halbelliptische Querblattfeder mit progressiver Kennung und ebenfalls doppelt wirkende Dämpfer; ungebührliche Seitenneigungen in Kurven verhinderte ein Drehstab-Stabilistor. Gelenkt wurde per Kugelumlauftechnik, fürs Verzögern zeichnete eine hydraulische Bremsanlage von Girling/Teves verantwortlich – zunächst mit Trommeln rundum, ab dem Modelljahr 1965 mit Scheiben an der Vorderachse.

Die Wirtschaftlichkeit: ein ganz großes Thema

Ökonomie, Effizienz und kritisches Abwägen von Aufwand und Nutzen galten als oberste Prämisse und treibende Kraft bei der Entwicklung des Ford Taunus 12 M P4. Wie sich das visionäre Denken vor dem Zeitgeist-Grundrauschen der frühen Sechzigerjahre in Stil und Tonalität heute anfühlt? Im Prinzip ist vieles überraschend gleich geblieben – auf der einen Seiten. Auf der anderen wiederum sorgt es für Staunen, wie sich in einem „Wimpernschlag“ von fünfzig Jahren Dinge verändern können:

„Die Käufer von Automobilen werden umdenken müssen. Mit dem neuen Taunus 12 M wird in der Mittelklasse ein Wagen angeboten, der wirtschaftlich wie ein Kleiner, aber leistungsstark und bequem wie ein Großer ist. Das ist möglich geworden, weil mit der gewählten Bauart der Entwurf in vollem Umfang verwirklicht wurde. Ford knüpft damit an ein Auto an, das die Welt motorisierte und im Sinne des Wortes ein Allerweltsauto war, das Modell T, von dem über 15 Millionen Stück gebaut wurden. Es war für seine Zeit wirtschaftlich: groß genug, dass eine ganze Familie darin Platz hatte, und klein genug, dass jeder es bezahlen und halten konnte. Es kostete dank der Massenproduktion schließlich noch 250 Dollar. Als die ,Tin Lizzy‘ durch ein neues Modell abgelöst wurde, hatte sie die Lebensgewohnheiten einer ganzen Nation verändert.“

„Heute leben wir mit dem Auto. Es gehört zum Haushalt wie der Kühlschrank und die Waschmaschine. Seine Anschaffung und Unterhaltung darf nicht übermäßig hoch sein; es muss aber allen Anforderungen gerecht werden. Der neue Taunus 12 M passt daher genau in unsere Gegenwart. Er ist ein respektables sowie modernes Fahrzeug und weist darüber hinaus viele wirtschaftliche Vorteile auf.“

„Der Vorgänger, von dem in über zehn Jahren über 563.000 Einheiten gebaut und verkauft wurden, war ebenfalls wirtschaftlich. Deshalb erfreute er sich großer Beliebtheit. Es bedurfte mancher Überlegungen, den Nachfolger-Typ noch wirtschaftlicher zu machen, um in seiner Klasse einen völlig neuen Maßstab zu schaffen. Alle Fahrversuche mit dem ,Cardinal‘ – so hieß der neue Taunus als Prototyp – standen in den vergangenen Jahren im Zeichen langer Lebensdauer. 160.000 Kilometer waren als Erprobungsgrundlage vorgeschrieben. Lange Lebensdauer heißt: geringe Reparaturanfälligkeit, niedrige Unterhaltungskosten und hoher Wiederverkaufswert.“

Die Grundlage der kundenfreundlichen Kostenbilanz bildete ein Motor, der vor allem im Teillastbereich mit deutlichen Verbrauchsvorteilen aufwartete: „Zu einem geringen Benzinverbrauch, 7,5 l/100 km (nach DIN 70030), kommen Pflegekosten, die klein geschrieben werden. Der serienmäßig eingebaute Hauptstrom-Ölfilter macht nur alle 10.000 Kilometer einen Ölwechsel erforderlich. Inspektionen sind ebenfalls nur alle 10.000 Kilometer vorgesehen. Die Kühlflüssigkeit muss nur alle zwei Jahre gewechselt werden. Hier ist zu bemerken, dass das Kühlsystem des V-4-Motors ohne mechanisch angetriebenen Lüfter auskommt. Antriebskraft geht auf diese Weise nicht verloren. Also auch in den Details Wirtschaftlichkeit als Prinzip. Für den täglichen Gebrauch ist der neue Ford Taunus gebaut worden, ein Fahrzeug für Autofahrer, die sich einen universellen Personenwagen wünschen und mit dem es Spaß macht, wirtschaftlich zu fahren.“

Antrieb des Fortschritts: das neue Motorenwerk in Köln

Das neue Motorenwerk, in dem die Triebwerke des 12 M gebaut wurden, zählte zu den modernsten seiner Zeit. Alle Erfahrungen, die Ford auf dem Gebiet der mechanischen Be­arbeitung, Automation und Rationalisierung in den USA und Deutschland gesammelt hatte, flossen in die Projektierung ein. Die neue Frontantriebseinheit stellte die Produktion vor neue Anforderungen, aber Ford blieb zuversichtlich: Die verschiedenen Werkzeuge und Maschinen, die zur weiteren Automatisierung und Rationalisierung angeschafft worden waren, seien „Wunderwerke moderner Fertigungstechnik“.

Mehr als 16 Millionen Mark hatte die Marke beispielsweise aufgewendet, um die Qualitätskontrolle weiter zu verbessern. „Neuzeitliche“ Messgeräte und Maschinen, die Teile mit zu großen Toleranzen aus dem Produktionsprozess automatisch herauspickten, halfen dabei: „Hier werden Messungen durchgeführt, die bis zu 1/100 mm exakt sind.“ Aufwändig waren auch die Programme auf insgesamt 36 Einlauf- und drei Dynamometer-Prüfständen. Nach der Endmontage liefen die Motoren zwölf Minuten lang auf den Testeinrichtungen und absolvierten eine gründliche Inspektion. Dazu kamen Stichproben, bei denen einzelne Triebwerke auf den Dynamometer-Stationen 300-, 500- oder gar 1.000-stündige Dauertests absolvieren mussten. Zusätzliche Leistungs- und Qualitätsprüfungen der kompletten Antriebseinheit Motor, Getriebe und Achse erfolgten auf einem Spezialteststand. „Es wurde alles getan, um den Motor und den Wagen so perfekt zu bauen, dass er nur Freude bereitet und lange und störungsfrei ohne besondere Pflege seinen Dienst tut“, konnte Ford mit gutem Gewissen vermelden.

Kein Wunder, denn die Arbeiter schafften unter ausgezeichneten arbeitsklimatischen Be­dingungen: „Im neuen Motorenwerk haben 1.200 Werksangehörige, darunter 250 Gastarbeiter, helle, saubere und moderne Arbeitsplätze. In der Halle befindet sich ein Ventilationssystem, das innerhalb von zehn Minuten die vorhandene Luft umwälzen kann. Besondere Filter nehmen den Staub auf. Breite Wege erleichtern den Transport des Materials durch Gabelstapler. Vorbildliche Sicherheitseinrichtungen helfen bei der Verhütung von Unfällen.“

Die Weltrekordfahrt zum Mond

Dass der Ford Taunus 12 M das „M“ für „Meisterstück” zu Recht trug, bewies er mit einer im wahrsten Wortsinn galaktischen Leistung, die ihm einen Platz in der automobilen „Hall of Fame“ einbrachte – nämlich einer sensationellen Langstreckenfahrt, die exakt der Entfernung zwischen Erde und Mond entsprach, wie es in einer Pressemitteilung vom 29. November 1963 hieß:

„Der Taunus 12 M, der alle bisher existierenden Weltrekorde der Entfernung und Ausdauer gebrochen hat, brachte am Donnerstagabend, 28. November, 20 Uhr, die Distanz Erde-Mond hinter sich, die zu diesem Zeitpunkt genau 357.050 Kilometer betrug. Diese 357.050 Kilometer durchfuhr der Kölner Ford mit ein und derselben Maschine in einer Durch­schnittsgeschwindigkeit von 105,15 km/h. Die Fahrt ging weiter. Am Freitagvormittag wurde den Männern in Miramas (eine Stadt in Frankreich in der Nähe von Marseille) klar, dass sie, wenn der Wagen so weiterliefe, niemals mehr zu ihren Weihnachtseinkäufen nach Hause kommen würden. Die Frauen und Kinder der verheirateten Fahrer protestierten schon seit Längerem gegen die ständige Abwesenheit der Familienväter und einer inoffiziellen Mitteilung zufolge hatten auch die Junggesellen im Fahrerteam schon manch ungeduldigen Brief von ihren Freundinnen erhalten.“

„,Wir hatten unseren Spaß mit diesem erstaunlichen Ford 12 M‘, sagte einer der sechs Fahrer, ,aber jetzt sind wir rechtschaffen müde und außerdem fürchten wir, dass Motor und Fahrgestell des Wagens einfach nicht kaputt zu kriegen sind.‘ So wurde der Rekordwagen mittags 12 Uhr 1 Minute und 39 Sekunden beim Kilometerstand von 358.273,8 angehalten. In 142 Tagen hatte dieser erstaunliche 12 M 71.443 Mal den 5,014 Kilometer langen Kurs von Miramas umkreist.“

„Die unter der Kontrolle der Federation Internationale de l’ Automobile neu aufgestellten 145 Langstreckenrekorde werden auf der nächsten Tagung der FIA im Januar in Paris zur Be­stätigung vorgelegt. Der 12 M, dessen Originalmaschine und Fahrgestell noch völlig intakt sind, wird nach Köln zurückkehren, um dort von Versuchsingenieuren und Qualitätskontrollspezialisten in einer Reihe von Tests untersucht zu werden. Ford Köln will sehen, ob der Taunus 12 M aufgrund der Erfahrungen dieser Rekordfahrt noch besser und leistungsfähiger gemacht werden kann als der Rekordwagen von Miramas.“

Aber auch das Glück des Tüchtigen stand dem Ford Taunus 12 M und seinen Betreuern bei dieser Pioniertat zur Seite. Am 29. Oktober gegen drei Uhr morgens war der Fahrer beim Kilometerstand 284.275 durch die monotonen Runden eingenickt und von der Piste abge­kommen, hatte sich überschlagen, war aber auf allen vier Reifen wieder auf der Strecke gelandet. Der Fahrer, der den Unfall körperlich unversehrt überstanden hatte, schob den Havaristen aus eigener Kraft an den Kontrollpunkt – so verlangten es die strengen Bestimmungen der FIA, wenn das Projekt weitergehen sollte. Es ging tatsächlich weiter, wenn auch erst nach einer elfstündigen Reparatur mit bordeigenem Werkzeug – auch das eine FIA-Vorschrift. Der unkaputtbare, mühsam zusammengeflickte 12 M zog von nun an arg zerbeult, ansonsten aber ungerührt weiter seine Bahn. Noch weitere 14.785 Runden über 73.998 Kilometer, um genau zu sein.

Wunderwelt der Werbung: Willkommen in den Sechzigern

Wer den Geist und das Werteverständnis einer bestimmten Zeit nachfühlen will, dem ge­währt die Wort- und Bildsprache der Werbung immer wieder erhellende Einblicke – in diesem Fall die der Sechzigerjahre.

Zwei Minuten, bevor Sie sich in ihn verlieben, hieß es vieldeutig in der 12 M-Verkaufsbroschüre, was da rot zwischen den Birken leuchtet, ist vielleicht Ihr neues Auto.

Auf dem Großfoto die zugehörige Szene: Im Hintergrund ein roter Ford Taunus 12 M mit Weißwandbereifung; an einer A-Säule lässig angelehnt eine blonde Schönheit mit einem Gesichtsausdruck, der durchaus als freudige Erwartung interpretiert werden könnte. Im Vordergrund die Birken – und mittendrin, eher verkrampft als lässig an einen Stamm ge­stützt, das männliche Gegenstück. Kleidung: bieder, eine tränentreibend grau-braune Kluft mit einer Hose, deren Faltenwurf von der Vollblüte der Polyester-Ära kündete. „Flott wieder rein in den 12 M und weiter bis zum nächsten Wäldchen“, möchte man der Schönen zurufen, „er mag anständig und strebsam sein, der junge Mann, keine Flausen im Kopf haben und mit einer sicheren Anstellung plus Pensionsaussichten ausgestattet sein. Aber muss es wirklich er sein?“

Überhaupt, die Damen der Sixties auf den Pressefotos und Werbeplakaten: so cool, so elegant, so „stylish“. Man möchte sich am liebsten in jene Zeit zurückbeamen lassen, den Wagenschlag aufreißen und das Schicksal selbst in die Hand nehmen … „Ach Schatz, mein 12 M und ich – wir sind die Richtigen für Dich!“ Zumal auch das Leistungspotenzial des 12 M dazu angetan war, Eindruck zu schinden. Das versprach zumindest der Prospekt:

Temperament, das nicht viel kostet …

„So wenig Benzin: nur 7,5 Liter auf 100 km. So viel Temperament: von 0 auf 100 km/h in 28 Sekunden. Es macht Spaß, seinen 40 PS einmal die Zügel schießen zu lassen – wenn Sie blitzschnell (und damit sicher) am Vordermann vorbei wollen oder wenn´s die Berge hin­auf­geht. Doppelten Spaß macht es aber, nach dem nächsten Tanken den Verbrauch auszu­rechnen. Der neue Taunus ist trotz seines spritzigen Temperaments vor allem wirtschaftlich …“

Weil offensichtlich die Vernunft Anfang der Sechziger zu den edelsten Tugenden des bürgerlichen Establishments zählte, wurden erste Ansätze der Emotionalisierung vorsichtshalber noch mit Sachargumenten abgefedert. „Erster Eindruck: ein großer Wagen – und ein schöner Wagen dazu. Mehr braucht man darüber nicht zu sagen. Beim genaueren Hinsehen erkennen Sie, wie einladend breit die Türen sind (jede kann von außen abgeschlossen werden) und wie großzügig die Fensterflächen bemessen wurden. Doch das ist kein Zugeständnis an die Mode, sondern einfach ein Gebot der Sicherheit. Nur wer gut sieht, fährt sicher – und wer viel sieht, hat Freude am Autofahren.“

Eine weitere Passage aus dem Werbetext macht deutlich, dass es hier nicht nur um ein technisches Wunderwerk geht, sondern eine geballte Ladung aus Durchdachtheit und Funktionalität.

„Sie sind sofort gut Freund mit ihm“ …

… lockt die Broschüre unter einem großformatigen Foto, das die Armaturentafel in ihrer ganzen Breite und Schönheit abbildet. „Ein Front-Antrieb, der spielend leicht zu lenken ist – das wird Ihr erster Grund zur Freude sein, wenn Sie zur Probefahrt starten. Und wie gut ist diese Lenkung gedämpft! Sie haben einen unmittelbaren Kontakt zur Straße, und trotzdem spüren Sie nichts von ihren Unebenheiten. Das vollsynchronisierte 4-Gang-Getriebe schaltet sich so leicht, dass Sie immer blitzschnell den richtigen Gang ,drin‘ haben. Die Hände finden wie von selbst die richtige Haltung am griffigen Dreispeichenlenkrad, das – sicher ist sicher – korbförmig gestaltet wurde. Weil es schwarz ist, kann es sich nicht in der hohen Front­scheibe spiegeln. Der Fingertipphebel links an der Lenksäule hat vier Talente: er ist Blinkerhebel, Fernlichtschalter, Lichthupe und Hupe. Mit der serienmäßigen Frischluftheizung lässt sich innerhalb von 2,5 Minuten die Luft im Innenraum erneuern. Und ob Sie bei 25 Grad im Schatten oder bei 25 Grad Kälte unterwegs sind – Sie haben´s immer richtig temperiert.“

„Hier fahren Sie vergnügt und sicher“ …

… verspricht der Prospekt schließlich, und wieder ist ein Ford Taunus 12 M in rassigem Rot unterwegs. Dieses Mal aber nicht im lauschigen Birkenwäldchen, sondern auf Eifeler Serpentinen. An Bord eine sichtlich vergnügte Kleinfamilie: „Ob Sie beim Familienausflug am Sonntag in aller Ruhe die Landschaft genießen oder ob Sie es eilig haben und sich die Straßen nicht aussuchen können – der neue Ford Taunus 12 M zeigt jederzeit vollendete Fahrmanieren. Vom Frontantrieb gezogen, macht er sich wenig aus engen Kurven und vereisten Straßen, aus böigem Seitenwind und schlüpfrigem Blaubasalt.“ Da kann man schon vergnügt sein!

Natürlich werden die Vorzüge der anderen Karosserievarianten ebenfalls ins rechte Werbelicht gerückt. Zum Beispiel die des Kombis: „Die interessanteste Seite des Taunus 12 M Kombi ist die Rückseite – mit der hohen, nach oben sich öffnenden Hecktür und der tief liegenden Ladefläche. Innen können Sie 90 cm hoch laden. Die hintere Sitzbank ist voll versenkbar, so dass die Ladefläche bis zu den Lehnen der Vordersitze reicht. 400 Kilo können Sie diesem Kombi aufladen. Der robuste Weltrekord-V4-Motor wird spielend damit fertig. Natürlich können Sie auch den Kombi mit 1,5-Liter-Motor haben. Eine Familienausstattung mit Teppichen im Fußraum und im Kofferraum macht diesen Wagen noch behaglicher.“

Bei der geschärften TS-Version und dem sportlichen Coupé zupften die Werber wieder mehr die Gefühlssaiten der Zielgruppe. „Für sportliche Familienväter ist der Taunus 12 M TS genau der richtige Wagen. Sein 1,5-Liter-V4-Motor ist jetzt 65 PS stark. Diesen Wagen beschleunigen Sie in 17 sec von 0 auf 100 km/h, und sein Dauertempo von 140 km/h halten Sie mühelos. Sportliche Einzelsitze, ein weicher Teppichboden und eine beachtliche Zahl serienmäßiger Extras kennzeichnen den Taunus 12 M TS – als 2-Türer wie als 4-Türer.

Auch das rassige Taunus 12 M Coupé mit seiner eleganten Silhouette und der hoch ins Dach gewölbten Frontscheibe hat den 65 PS starken 1,5-Liter-V4-Motor mit seinen ungewöhnlichen Fahrleistungen. Zum Interieur gehören sportliche Einzelsitze ebenso wie der wertvolle Teppich und die Fülle nützlicher Details.“

November 1965: Dampf aus der Gerüchteküche

„Ford jagt den Käfer“, so die „Bild“-Zeitung, und weiter: „Ford bläst zum Sturmangriff. Nach dem fast sensationellen Sieg in der Verkaufsschlacht um die Mittelklassewagen wollen die Kölner Automobilwerke jetzt auch die Klasse des VW Käfer und des Opel Kadett im Sturm nehmen. ,Sturmtank‘ ist der neue 12 M. Er ist breiter, länger und vorn flacher als das alte Modell. Die Ausstellfenster fallen weg. Dafür Lufteintrittsschlitze unter der Windschutzschei­be. Im Frühjahr 1966 soll der „PS-Bomber“ (70 PS, 1,5-Liter-Motor) auf den Markt kommen. Der 1,2-Liter-Motor soll 45 PS leisten.“

Ford dementierte heftig. „Berichte über eine Ablösung des Taunus 12 M durch ein neues Modell seien völlig unbegründet“, hieß es in einer Meldung des Frankfurter Wirtschafts­dienstes VWD vom 1. Dezember 1965. „Das Fahrzeug, das sich einen festen Platz am Markt erobert habe, werde unverändert weiter gebaut werden, erklärte am Mittwochabend
(= 30. November) der Generaldirektor der Ford Werke, Robert G. Layton. Layton wies auf den Schaden hin, der nicht nur dem Werk, sondern auch der gesamten Wirtschaft durch die Verbreitung haltloser Gerüchte entstünden.“

Trotzdem: Es gibt für fast jedes Auto einen Nachfolger, irgendwann. Erst recht für ein Erfolgsmodell wie den Ford Taunus 12 M, Generation P4. Der Nachfolger P6, um den sich die Gerüchte und eine phantasievolle Zeichnung in der „Bild“-Zeitung gerankt hatten – natürlich kam auch der auf den Markt. Nur nicht im Frühjahr 1966, sondern erst im September 1966.