Eine Ikone des Rallye-Sports feiert Geburtstag: Der legendäre Ford RS200 wird 25 Jahre alt

Modellinformationen zum Ford RS200

30. Oktober 2010 · Ford

Damals eine Sensation, heute ein ebenso rares wie gesuchtes Sammlerstück: Der RS200 von 1985 war der Exot im europäischen Modellprogramm von Ford. Seine Entwicklung diente einzig und allein einem Zweck: Dieser rassige, vor zeitgenössischer Hochtechnologie nur so strotzende Mittelmotor-Zweisitzer sollte den Ruhm des Blauen Ovals auf den Rallye-Pisten in aller Welt mehren.

Das Potenzial, da sind sich alle Experten einig, hätte er hierfür ohne Zweifel besessen – allein: Die Zeit, seine Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, bekam der Turbo-Allradler nicht mehr. Die Gruppe B, in der die schlanke Flunder startberechtigt war, wurde noch im Jahr seines WM-Debüts nach schweren Unfällen abgeschafft.

Genaugenommen war der RS200 bereits der zweite Anlauf von Ford, in der Gruppe B Erfolg zu haben. Das erste Projekt – der Escort RS1700 T – ging nie an den Start: Die heckgetriebene Variante des frontgetriebenen Serienmodells hätte in der anbrechenden Ära der Allradboliden nie eine Chance gehabt. Und nachdem Ari Vatanen, der mit der Entwicklung beauftragte Weltmeister von 1981, gleich beide Versuchsträger mit finnischem Schwung an Felswänden hatte zerschellen lassen, fiel es den Verantwortlichen nicht mehr ganz so schwer, mit dem produzierten Schrott auch gleich das ganze Vorhaben zu entsorgen.

Der Motorsport-Chef forderte von seinen Konstrukteuren einen „Siegerwagen“

Mit dem nächsten Rallye-Auto, so viel stand für Ford Motorsport-Direktor Stuart Turner fest, sollte alles anders werden. Am 23. September 1983 schaltete der Vorstand von Ford Europa die Ampeln für das neue Gruppe B-Gerät auf Grün. Turner bat seinen Chefingenieur John Wheeler sowie drei freie Konstrukteure um Vorschläge für einen „Siegerwagen“.

Das Konzept, das hieraus entstand, war schlichtweg außergewöhnlich und von gewieften Rallye-Spezialisten durchdacht bis ins Detail. Im Mittelpunkt des wohl kompromisslosesten Gruppe B-Autos von allen standen vor allem die für Bestzeiten auf unterschiedlichsten Fahrbahnbelegen so wichtigen Themen Schwerpunkt, Gewichtsverteilung und Kraftübertragung.

Formel 1-Technologie für das Fahrwerk und das Chassis

Das Chassis des Mittelmotor-Zweisitzers entstand in den Händen des Formel 1-erfahrenen Spezialisten Tony Southgate. Er entwarf eine selbsttragende Plattform mit breiten, kastenförmigen Längsschwellern, vorderen und hinteren Trennwänden sowie einem massiven Getriebetunnel, der dem ganzen Entwurf wie ein Rückgrat zusätzliche Steifigkeit verlieh. Bodenplatte und Schweller sowie Front- und Heckschottwände bestanden aus besonders leichten Sandwich-Platten mit Aluminiumwaben. Um optimale Pressdrücke beim Aushärten zu erzielen, wurden sie – wie viele andere Komponenten auch – geklebt und zusätzlich genietet. Auch Dach und Türrahmen wurden aus einem für damalige Verhältnisse futuristischen Verbundmaterial hergestellt, das sich aus Kohlenstoff- und Aramidfasern zusammensetzte. In Verbindung mit dem integrierten Überrollkäfig entstand so ein außergewöhnlich leichtes und dennoch höchst stabiles Monocoque.

Während der Motor von kastenförmigen Stahlblechträgern getragen wurde, kamen als Anlenkpunkte für die vorderen und hinteren Radaufhängungen Gitterrohr-Hilfsrahmen zum Einsatz. Auch hier entschieden sich die Konstrukteure für Stahlblech: Dieser Werkstoff kann von den Mechanikern beim Service-Stopp einfacher gerichtet und geschweißt werden, wenn dem Fahrer einmal das Talent, die Straße oder auch gleich beides ausgegangen ist.

Apropos Fahrwerk: Mit doppelten Dreiecksquerlenkern vorne und hinten sowie jeweils zwei Schraubenfedern und Bilstein-Teleskopstoßdämpfern pro Rad passte der Ford RS200 zeitgenössische Formel 1-Technologie den robusten Anforderungen des Rallye-Sports an, kombinierte dies aber mit einem großen Spektrum an Abstimmungsmöglichkeiten. Selbst der Stabilisator war, wie damals in der Grand Prix-Branche üblich, einstellbar. Das gleiche galt für Nachlauf und Sturzwerte an beiden Achsen. Besonders pfiffig aber: Unterschiedlich hoch positionierte obere Anlenkpunkte für die Federbeine erlaubten eine schnelle Anpassung der Bodenfreiheit – damit eignete sich der kompromisslose Rallye-RS200 für raue Safari-Pisten ebenso wie für die Asphalt-Serpentinen Korsikas.

Pfiffig konstruierte Kraftübertragung mit beispielhaften Variationsmöglichkeiten

Um eine ausgewogene Gewichtsverteilung von 50:50 zwischen Vorder- und Hinterachse herzustellen, kombinierten die Experten von Ford Motorsport ein Mittelmotor-Layout mit einem Allradantrieb inklusive vorne liegendem 5-Gang-Getriebe. Eine durchaus aufwendige Konstruktion, die aber Vorteile mit sich brachte. So ließ sich zum Beispiel die Gesamtübersetzung der Schalteinheit über eine leicht erreichbare Klappe im Innenraum schnell und einfach auswechseln, um sie dem Charakter der bevorstehenden Wertungsprüfungen anzupassen. In den Wettbewerbsversionen konnte der Rallye-Pilot über einen kleinen Hebel sogar den Kraftverteilungs-Modus variieren – während der Fahrt!

Denn auch, was die Verteilung des Motormoments auf die Räder betraf, war die Gruppe B-Version des Ford RS200 ihrer Zeit weit voraus. Zur Wahl standen gleich drei Optionen: starrer Allradantrieb mit einer paritätischen Aufteilung der Kraft auf alle vier Räder, da dies bei extrem rutschigem Untergrund von Nutzen sein kann. Oder eine hecklastigere Drehmoment-Distribution, bei der 63 Prozent der Leistung an die hinteren Räder gehen. Vorteil dieser Einstellung: Sie verbindet ein hohes Maß an Traktion mit einem agilen Fahrverhalten auf sandigen, schotterigen oder verschneiten Wegen. Und für reine Asphalt-Prüfungen konnte sogar auf reinen Heckantrieb geschaltet werden – für damalige Zeiten eine unerhörte Vielfalt an Einstellmöglichkeiten. Als Differenzialsperren kamen Visco-Kupplungen zum Einsatz, wie sie damals bereits der Ford Escort RS turbo serienmäßig besaß.

Den Motor übernahm der RS200 vom glücklosen RS1700 T-Projekt. Der quer eingebaute, um 23 Grad nach rechts geneigte und leicht nach links versetzte Leichtmetall-Vierzylinder mit Trockensumpfschmierung basierte im Grunde seines Vierventil-Zylinderkopfs noch auf dem legendären, einst von Cosworth konstruierten Aggregat des Ford Escort BDA 1600 von 1970. Mit nunmehr 1,8 Liter Hubraum und Turbo-Aufladung sowie zwangsbeatmet mit einem Druck von maximal 0,8 bar entwickelte es für die Straßenversion 230 PS. Im Rallye-Trimm, wenn der Garrett T04-Turbo bis auf 1,2 bar schnalzen durfte, sollten es bis zu 420 PS sein. Später durfte die Leistungskurve in Kombination mit dem sogenannten Evolution-2-Motor von Brian Hart für Starts in der Rallycross-Europameisterschaft sogar die 650-PS-Marke überspringen.

Der Charme des italienisch anmutenden Designs folgt allein der Funktion

Für leuchtende Augen nicht nur am Rande von Wertungsprüfungen sorgt bis heute die atemraubend gestaltete Karosserie des Ford RS200. Die eigentlich schlichte, einzig der Funktion dienende und vermutlich genau aus diesem Grund so faszinierende Form entstand auf dem Reißbrett von Filipo Sapino, dem Chef der Carozzeria Ghia in Turin. Gefertigt wurde sie, auch dies für die damalige Zeit sehr innovativ, aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Zu den besonders markanten Details zählen die von Anfang an fest mit eingeplanten großen Zusatzscheinwerfer in der Frontschürze, die mächtige Kühlerentlüftung in der vorderen Haube, die beiden Frischluftzuführungen in Form von Ohrmuscheln auf der hinteren Dachkante und der nahtlos integrierte Heckflügel mit dem praktischen Guckloch in der Mitte. Ein bescheidenes Maß an Stauraum hielt die Straßenversion im Vorderwagen bereit. In der Wettbewerbsvariante flog das Gepäckfach jedoch wieder heraus und machte Platz für ein liegend installierbares Ersatzrad, auch hier diktierte das Streben nach einem möglichst niedrigen Schwerpunkt und einer harmonisch ausgeglichenen Gewichtsbalance die Konstruktion. Zum Tanken muss die hintere Karosseriehaube komplett aufgestellt werden – in der Regel zur großen Freude aller Dabeistehenden, die auf diese Weise einen genauen Blick auf den Motor und die hinteren Radaufhängungen werfen dürfen.

Gleich der erste Start wurde mit einem Sieg gekrönt

Seinen ersten Renneinsatz feierte der Ford RS200 Ende 1985 bei der nationalen Rallye Lindisfarne in Großbritannien. Malcolm Wilson – heute als Direktor des Teams BP Ford Abu Dhabi für die WM-Einsätze von Ford zuständig – stellte den neuen Renner gleich auf den ersten Platz. Auch das WM-Debüt bei der Winter-Rallye Schweden verlief vielversprechend. Zwar musste Ex-Weltmeister Stig Blomqvist seinen Boliden mit Motorproblemen vorzeitg abstellen, dafür sprang sein schwedischer Landsmann Kalle Grundel in die Bresche und sicherte sich Rang drei. Es sollte das beste Ergebnis für den RS200 in der Rallye-WM bleiben.

In Portugal gingen die Werksautos von Ford zwar mit 30 Kilogramm weniger Gewicht und spürbar mehr Leistung an den Start, doch da blickte die von vielen Fans bis heute heiß geliebte Gruppe B bereits in den Abgrund: Ein Privatfahrer musste einem auf der Strecke stehenden Zuschauer ausweichen und prallte in eine ebenfalls zu nah am Straßenrand stehende Menschengruppe. Am Ende waren drei Tote zu beklagen und die Werksfahrer traten angesichts der schon lange nicht mehr kontrollierbaren Fan-Massen, die immer wahnwitzigere Gefahrensituationen heraufbeschworen, geschlossen in den Streik. Damit war das Schicksal dieser spektakulären Kanonenkugeln auf Rädern so gut wie besiegelt: Aus Sicherheitsgründen verkündete die internationale Motorsporthoheit FIA das Verbot der Gruppe B zum Ende der Saison 1986. Die Zukunft gehörte der neuen Gruppe A, deren Basisfahrzeuge innerhalb von zwölf Monaten mindestens 5.000 Mal produziert worden sein mussten – womit eine einzigartige Konstruktion, wie sie der Ford RS200 darstellte, praktisch ausgeschlossen war.

Der Ford RS200 heute: Heiß begehrte Sammlerexemplare

200 Exemplare des RS200 hatte Ford 1985 bauen müssen, damit die Rallye-Version in der Gruppe B starten durfte. Schätzungen gehen davon, dass rund 150 Exemplare bis heute überlebt haben. Kostete die Straßenvariante einst weniger als 50.000 Euro, so sind Liebhaber 25 Jahre später gerne bereit, für gut erhaltene Modelle das Dreifache zu zahlen.